20 Jahre zwischen Hoffen und Bangen

Am Sonntag, dem 25. Oktober 2015, hielt Bezirksapostel Wilfried Klingler seinen letzten Gottesdienst im afrikanischen Missionsgebiet Sudan/Südsudan. In seiner Begleitung war Bezirksapostel Joseph O. Ekhuya. Das hatte einen guten Grund, denn ab 1. Januar 2016 werden diese beiden Länder durch die Gebietskirche East Africa betreut, für die er verantwortlich ist.

Für die Gebietskirche Niedersachsen endet damit eine über zwanzigjährige Zuständigkeit zwischen Hoffen und Bangen, eine Zeit voller Konflikte im Herzen Afrikas, in der Angst, Not, Flucht und Tod den sudanesischen Alltag prägten.

Bezirksapostel Klingler über die Anfänge

Im März 1995 war ich zum Stammapostel-Gottesdienst nach Indien eingeladen. Am Samstag waren wir mit einem Bus unterwegs, als mich Stammapostel Fehr fragte: „Wilfried, ich habe ein Geschenk für dich; willst du es annehmen?“ Ohne lange zu überlegen antwortete ich: „Was vom Stammapostel kommt, kann nicht schlecht sein.“ Darauf Stammapostel Fehr: „Dann sei ab sofort auch im Sudan tätig.“ Erst zu Hause habe ich realisiert, dass wir damit das flächenmäßig größte Land Afrikas zu betreuen haben …

Mitten im Bürgerkriegsgeschehen wurde die Arbeit unter schwierigen und zum Teil bedrohlichen Umständen zwischen den Regierungstruppen im Norden und den Rebellen im Süden des Sudans aufgenommen. Bis dahin waren die kanadischen Apostel für den Sudan zuständig, mussten ihre Arbeit jedoch wegen ausbleibender Einreisegenehmigungen abbrechen.

Ein unvergessener Höhepunkt war der erste Besuch eines Stammapostels in diesem Land. Stammapostel Fehr diente 2001 in der Hauptstadt Khartum, wo er die Wahrheit in den Mittelpunkt seiner Predigt stellte. Am Tag zuvor hatte er in der von Rebellen eingeschlossenen Stadt Juba einen stärkenden und Mut machenden Gottesdienst gehalten. „Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab …“ (Jakobus 1,17), lautete das Bibelwort. Bei IHM ist alles klar, ist Licht und Leben, ist Weisheit und Allmacht, auch Allwissenheit. Wie viel Sicherheit liegt in diesen Worten!

Ein Hoffnungsschimmer

Unzählige Gebete um Frieden im Land und menschenwürdige Lebensumstände begleiteten die Aufbauarbeit der Amtsträger in all den Jahren. Als nach drei Jahrzehnten Unruhe und Krieg endlich ein Friedensvertrag geschlossen und im Jahr 2011 der Südsudan ein eigenständiger Staat wurde, war daran manche Hoffnung geknüpft.

Aufgrund der Umsiedlung vieler Geschwister vom Norden zurück in ihre Heimat, den Süden, begann im Süden eine systematische Aufbauarbeit. Ältestenbezirke wurden gegründet, Bauprogramme erstellt usw. In der neuen Hauptstadt Juba erhielt unsere Kirche, die innerhalb weniger Wochen auch staatlich anerkannt war, ein ca. 11.000 m² großes Grundstück. Dort wurden eine Kirche mit ca. 400 Sitzplätzen, Büroräume, eine Unterkunft für die betreuenden Brüder, ein Wohnhaus und ein Gästehaus errichtet.

Bauen in Afrika ist mit dem Bauen hierzulande in keiner Weise vergleichbar. So ist beispielsweise Zement in Afrika extrem teuer. Um diese Kosten zu minimieren, wurde eine Maschine aus Südafrika geordert, mit der aus einem Sand-Lehm-Gemisch mit einem nur geringen Zementanteil Steine selbst hergestellt werden konnten. Durch diese Tagelohnarbeit hat man gleichzeitig den Familien der Arbeiter das Auskommen sichern können. Was gäbe es da noch alles zu berichten …

Seelsorgerische Betreuung sichergestellt

Im Jahr 2012 besuchte Stammapostel Leber den Südsudan und ordinierte in Juba den langjährigen Bischof Moris Ukuni zum Apostel. „Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, um immer stärker zu werden im Glauben und in den göttlichen Tugenden“, so der eindringliche Appell des Stammapostels an die 1.800 Anwesenden. Ob das gelingt, liegt an uns selbst; unsere Einstellung und Haltung müssen stimmen.

Gegenwärtige Situation

Nur kurz währte der Frieden im neuen Staat Südsudan. Im Jahr 2012 brachen in der Hauptstadt wieder Unruhen aus, die sich inzwischen zu vielen Stammesfehden – insbesondere im Norden des Landes – ausgeweitet haben. Zigtausende mussten ihr Leben lassen oder sind auf der Flucht. Viele Orte wurden dem Erdboden gleichgemacht. Auch unsere Geschwister und Gemeinden sind davon betroffen.
Die Lage in der Stadt Juba ist derzeit zwar relativ ruhig, doch die Versorgungslage im Südsudan ist katastrophal. Wenn überhaupt Lebensmittel, Obst oder Gemüse verfügbar sind, dann zu Preisen, zu denen die meisten Menschen sie sich nicht leisten können. Benzin ist nur durch Beziehungen und nach tagelangem Warten an den Tankstellen erhältlich, was das Reisen fast unmöglich macht.

Das Leben im Sudan hingegen ist friedlich. Allerdings ist es für unsere Geschwister äußerst schwierig geworden, sich zu Gottesdiensten zu versammeln. Die muslimische Regierung fördert nicht gerade das Christentum.

Neben der kontinuierlichen seelsorgerischen Betreuung wurden auch humanitäre Projekte für die sudanesische Bevölkerung ins Leben gerufen:

  • Agrarprojekte
  • Wasseraufbereitungsanlagen in Renk (inzwischen durch Rebellen völlig zerstört) und Juba
  • eine Schule, in der zurzeit ca. 500 Kinder unterrichtet werden
  • eine Krankenstation für Kinder

Dies alles konnte nur geschehen durch die Opfer und Spenden unserer Geschwister und die Unterstützung von NAK-karitativ. Auch die Hilfsorganisation Hammer Forum, die Kinder in Krisengebieten unterstützt, McKinsey und das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) sind als Unterstützer und Förderer hier zu nennen.

Ma’a salaama – Auf Wiedersehen

Bezirksapostel Klingler nach seiner letzten Sudanreise: „Der Abschied von den Geschwistern ist mir nicht leicht gefallen; ein Teil meines Herzens ist dort geblieben. Meine täglichen Fürbitten gelten unseren Geschwistern, mit denen ich Freud und Leid geteilt habe und deren Sorgen ich zu den meinen gemacht habe. Von ganzem Herzen danke ich allen, die mitgeholfen, gebetet und Mut gemacht haben, und nicht zuletzt dem treuen Gott, der die Arbeit mit seinem Segen gekrönt hat. Shukran – danke!“

W.K.